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Autor: christianhansen

Berlin für Nachzügler

Es hat seine Vorteile, fast eineinhalb Jahrzehnte in Berlin gelebt zu haben. Ausserhalb der Stadt umweht einen so ein latent mythologisches Gedunst aus Kleinkriminellenrap, Galeriengründergeist, im Club auf der Tanzfläche bumsen und im Sonnenaufgang den besten Freund besoffen von der Oberbaumbrücke in die Spree schubsen.  Berlin. Raues Pflaster. Krasse Stadt.…

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Übergewichtige Texte

Kürzlich habe ich an meinem ersten Poetry-Slam teilgenommen. Eigentlich nicht so mein Format, um ehrlich zu sein, mir ist diese Mischung aus Comedy und Poesie ein bisschen unheimlich. Aber man kann ja nicht immer auf seinen Vorurteilen hocken bleiben. Also habe ich einen Text geschrieben. Einen eher poetischen. Und bin…

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Scheitern als Symptom

Martin Haug, Jahrgang 1955, war ein paar Jahre lang in Basel-Stadt die Ansprechperson für alle, die nicht nur die „normalen“ Hürden des Alltags bewältigen müssen. Der in Bern geborene Vater von vier Kindern war Inhaber der Fachstelle Gleichstellung von Menschen mit einer Behinderung. Bis Ende 2016, als diese Fachstelle im…

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Verstauchte Seele

Ihr Wunsch sei es, dazu beizutragen, „den Informationsstand innerhalb der Gesellschaft zu erhöhen“. So steht es in der Projektbeschreibung, mit der Sandra Forrer sich und ihr Kunstprojekt „In Between“ Ende 2016 beim wildwuchs Festival bewirbt. Das Festival bietet für Forrer die ideale Plattform: In Zusammenarbeit mit den Universitären Psychiatrischen Kliniken…

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Outing S.

In „Sein erstes Mal“ portraitierte ich S., der anonym bleiben wollte. Heute, anlässlich des World Bipolar Day, hat er mir geschrieben, würde er er sich outen. Öffentlich machen also, woran er leidet und wer er ist. Damit das verdammte Tabu fällt, über psychische Krankheiten zu sprechen. Hier ist sein Text, den…

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Papageno vs. Werther

Regula Lüthi, Direktorin der Abteilungen Pflege, Soziale Arbeit und Medizinisch Technische Dienste an den UPK Basel, schaut mich etwas überrascht an: „Ich wüsste nicht, wie man darauf kommen könnte, nicht darüber zu sprechen“, sagt sie. „Solange man nicht kokettiert mit dem Thema, heisst das, oder es als Drohung einsetzt“. „Das…

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Sein erstes Mal.

Eigentlich sollte dieser erste Text vom ersten Mal handeln. Vom ersten Mal Psychiatrie, um genau zu sein. Davon, wie ein Mensch, der sich bis dahin zu den einigermassen „Gesunden“, den halbwegs „Normalen“ zählte, den sprichwörtlichen Gang nach Canossa antritt und sich einliefert. Weil er (oder sie) nicht mehr weiss, wie…

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Normale Leute.

Am Freitag, dem 17. Februar 2017, erscheint der erste Text meines Storytelling-Projekts für das wildwuchs Festival, das sich vom 1. – 11. Juni 2017 wieder mit kontroversen Themen aus dem Bereich der Inklusion und Exklusion beschäftigt. In meinem Projekt widme ich mich bis Juni 2017 einmal monatlich dem Thema „Psychiatrie, Kunst und…

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Der Stolz der Strasse.

Heute geht es um ein Theaterstück, das in der Wirklichkeit spielt. Um Giorgio, den man womöglich anders schreibt, der vielleicht anders heisst, der schwarze Fingernägel hat und einen Zottelbart und abgerissene Klamotten. Der mit seinem von Klebeband zusammengehaltenen Akkordeon am Barfüsserplatz sass und sang. Er war mir in den letzten…

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Diverse Unbekannte.

„Die Kunst“, sage ich zu ihr, und es entsteht eine lange Pause, während der wir bedeutungsschwanger ins Nichts starren. „Die Kunst“, wiederholt sie nach etwa sechs Minuten, dann stehen wir auf und nehmen unsere Plätze in der vierten Reihe des Theaters wieder ein. „Fauvel“ wird gegeben, die Uraufführung eines Vokaltheaters.…

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Hannah.

Hannah gehört zu keiner akut bedrohten Tierart. Sie ist kein Flüchtling, kein von Überwachungskameras dokumentierter Fall willkürlicher Gewalt, keine Hungernde. Sie hat keinen Herzfehler, ihre Eltern leben noch, sie ist nicht arm. Niemand verfolgt sie ob ihrer politischen, religiösen oder sexuellen Neigungen. Weder wurde Hannah im falschen Körper geboren, noch…

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Kopfkrieg.

Eigentlich sollte das eigene Gehirn einen ja mögen.  Schliesslich trägt man es durch die Weltgeschichte, füttert es mit Geschichten, Bildern und mit gesundem Essen, Sonnenlicht, guten Büchern und von Zeit zu Zeit mit gutem Schnaps.  Bei meinem Gehirn ist irgendwas grundlegend schief gelaufen. Genauer gesagt: es läuft permanent schief. Mein…

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Fast Perfekt.

Es gibt Gespräche, die man kaum wiedergeben kann. Das Interview mit Alessandro Schiattarella ist so ein Fall. Zwei Minuten, nachdem ich mich zu ihm an den Fenstertisch im Café Flore an der Klybeckstrasse gesetzt habe, geht es schon um die ganz grossen Dinge: Erfolg, Angst, Normalität, Schönheit, Zugehörigkeit, Scheitern, Macht.…

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Tanzt einfach.

Fünf Minuten nach Beginn der Vorstellung lehnt Simon sich zu mir rüber und murmelt: „Schon das war besser als der gesamte letzte Abend“. In den folgenden knapp eineinhalb Stunden nickt mein wie immer bunt gekleideter Sitznachbar noch ein paar Mal zustimmend mit dem Kopf. Ihm gefällt scheinbar, was er da…

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Untergang des Abendlandes.

Diverse Konstellationen, in denen Menschen ihre Sehnsucht nach Nachwuchs nicht einfach so erfüllen können, landen in „Ein Kind für alle“ auf der schlichten Bühne. Um zeugungsunfähige Männer und Frauen geht es, um dänische Samenbanken, indische Leihmütter, jüdische Adoptiveltern und interkontinentale Geschwisterpaare. Der wesentliche Unterschied zu den meisten Beiträgen, die zu…

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Wuttke vs. Megge.

Der junge Mann, der mich zur Drummeli-Premiere begleitet, ist gebürtiger Basler. Luis Manuel ist Jahrgang 1994, zur Hälfte Portugiese und seit seiner Kindheit von Musik begeistert. Seit er 12 ist, spielt er selber Schlagzeug, unter anderem in einer Jazzband. In seiner Freizeit legt er auf. Die Fasnachts-Trommelei war für ihn…

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Nenn‘ mich Chuck.

KLISCHEES. Reden wir kurz über Vorurteile. Das des harten Mannes, beispielsweise. Über echte Kerle und toughe Typen. Männer, die sich nicht haben aufweichen lassen von Genderwahnsinn, Homophilie und lästigen Gerüchten über irgendeinen Klimawandel. Unter diesen Pfosten des Patriarchats kursiert das Gerücht, Künstler seien allesamt Diven und empfindlich wie Mimosen. Mit…

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Jesus gucken.

Das wird ein Verriss. Schon Tage vor der Premiere von „Jesus Christ Superstar“ geistert mir dieser Gedanke durch den Kopf. Ich mag Musicals nicht. Sie sind mir zu bunt, zu schwülstig, zu zwanghaft-fröhlich und zu plakativ. Ich werde mich lustig machen müssen über verkleidete Leute, die mit weit aufgerissenen Augen…

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Käffchen mit Liliane A.

Schwalben. Nach einer Dreiviertelstunde gelingt es mir endlich, die Vögel zu identifizieren, die zu hunderten auf ihren grauen Schlabberpulli gedruckt sind. In meinen Notizblock hatte ich zu Beginn unserer Unterhaltung „Möwenpulli?!“ gekritzelt. Irgendwie hätte das auch zu ihr gepasst: Möwen. Sie hat was Norddeutsches. Nicht nur, weil auf ihrer Strickmütze…

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Mozarts Flöte.

Ich habe Stückschreiben in Berlin studiert, sprich: zu viel getrunken und geraucht und mir über das Verhalten meiner Zeitgenossinnen und -genossen (und mich selbst) den Kopf zerbrochen. Um Operninszenierungen anständig zu lesen, fehlt mir vermutlich die sittliche Reife. Von empfehlenswerten Masterabschlüssen in Psychologie, Komposition und Dirigieren ganz zu schweigen. In…

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Sparschweinereien.

Von Peter Steins Inszenierung des Vaudeville-Klassikers geht Alfred Schlienger also aus in seiner Kritik an Martin Laberenz Inszenierung von „Das Sparschwein“. Damals, vor 42 Jahren, habe er, Schlienger, im Publikum gesessen und sich totgelacht. Das, was am 17.12.2015 am Theater Basel Premiere hatte, nennt er in seinem Artikel vom 18.12.…

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Der Wächter.

MIT WÄCHTER AM WEIHNACHTSMARKT Unterwegs in der echten Welt mit einem Schauspieler. Mittwoch, 9. Dezember 2015, 16:01 Uhr. Er lächelt mich aus einer gefühlten Höhe von 2,20 Metern an. Vielleicht denkt er: „Niedlich, der Kleine mit der Lederjacke und der bunten Kappe“. Vielleicht denkt er auch: „Hoffentlich war’s kein Fehler,…

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Fickt euch doch einfach alle.

Es ist immer noch eine meiner Lieblingsbeschimpfungen. Seit der Grundschulzeit eigentlich. Mit dem Wort “Ficken” werfe ich aus bemitleidenswert naiven Gründen irgendwie auch mit 31 Jahren noch sehr gerne um mich. Ursprünglich war es wohl der Reiz einer schmutzigen, das kleinbürgerliche Seriositätsempfinden perforierenden Formulierung, der mich angetrieben hat. Aber ist…

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man kann den schnee nicht dafür loben oder tadeln dass er fällt

Woher die Wut?Wohin mit ihr?In diesen, in den nächsten Satz?Wie soll die Sprache diesem Hass genügen?Wie soll in Worten aufgehen, was in Gefühlen nicht zu fassen ist? Nähe zulassen und sie gleich darauf wieder, voll von Misstrauen und vorgefertigter Enttäuschung, zerstören.Zerhacken.Sie zerdreschen.Sie mit den Kiefern zermahlen wollendSie mit jedem Zug…

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schwebstoffe

JFich glaube an den endsieg nochin meinem sechs fuß tiefen lochdie kameraden alle totliege ich hier in meinem kotund hoff und glaube fest darandass es mein volk noch schaffen kannweil mir sonst ja nichts übrig bleibthoff ich – quasi als zeitvertreibich drück die daumen (einer fehlt,nicht fair, wenn der deshalb…

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