Zum Inhalt springen

Sparschweinereien.

Von Peter Steins Inszenierung des Vaudeville-Klassikers geht Alfred Schlienger also aus in seiner Kritik an Martin Laberenz Inszenierung von „Das Sparschwein“. Damals, vor 42 Jahren, habe er, Schlienger, im Publikum gesessen und sich totgelacht. Das, was am 17.12.2015 am Theater Basel Premiere hatte, nennt er in seinem Artikel vom 18.12. „ein Desaster“.

„Man stelle sich vor, es ist Komödie – und keiner lacht“, schreibt er da. Und natürlich ist es Schliengers Recht, furchtbar zu finden, was er will. Er darf selbstverständlich auch darüber schreiben. Aber wenn er sich auf jemandes Inszenierung stürzen und sie unangespitzt in den Boden rammen will, dann muss er damit leben, dass man auch ihn daran misst, wie gekonnt er dies tut. Wie genau seine Beobachtungen und Beschreibungen die Tatsachen wiedergeben.

„Dass keiner lacht“, wie Sie behaupten, werter Herr Schlienger, ist schlicht und ergreifend unwahr. Sie hätten das vielleicht gerne so, weil es Ihre ästhetische Urteilsfähigkeit untermauern würde. Oder weil Sie nicht so lachen konnten, wie Sie damals gelacht haben, vor 42 Jahren. Alles okay, seien Sie ruhig empört. Dass jemand Ihren Sinn für Humor nicht zu kitzeln versteht, berechtigt Sie allerdings nicht dazu, Unwahrheiten über diesen Jemand zu verbreiten.

Zu Beginn des Stückes fürchtete ich ebenfalls, dass dieser Abend ein böser werden würde. Nach etwa einer Stunde jedoch war ich, zu meiner eigenen Überraschung, warm geworden mit dem, was da über die Bühne raste. Ziemlich konsequent durchgezogen und dramaturgisch durchaus gut gebaut war das. Natürlich nicht im Sinne eines steinschen Boulevard-Theaterabends – aber, mit Verlaub, das stand auch nicht auf der Verpackung. Laberenz und seine Schauspieler haben etwas ausprobiert, was nicht uneingeschränkt funktioniert hat. Aber die Schauspieler haben geackert, sie haben sich reingeschmissen, sie haben um den Abend gekämpft. Und sie haben ihn getragen.

Herr Schlienger mag es als Beleidigung seines szenischen Kennerblicks wahrnehmen, was Laberenz und seine Crew aus „Das Sparschwein“ gemacht haben. Statt jedoch der Leserin oder dem Leser fundiert auseinderzusetzen, was seiner Meinung nach an diesem Abend nicht gestimmt hat, lässt er es klingen, als ob alle Premierengäste seiner Meinung waren. Ich war und bin nicht Ihrer Meinung. Und ich lege wert darauf, dass man mir nicht irgendeine undifferenzierte Meinung unterjubelt, bloss weil man es bei der NZZ tun darf.

Schreiben Sie doch nächstes Mal einfach: „Ich fand’s beschissen, so richtig endkacke, am liebsten würde ich dem Regisseur ein abgestandenes Bier ins Gesicht kippen und ihn anbrüllen, dass er nie wieder ein gottverdammtes Theater durch den Hintereingang betreten soll“. Leidenschaft und künstlerischer Anspruch, alles klar, wieso nicht, kann man machen. Wer sich an die Öffentlichkeit begibt mit seiner Kunst, darf sich schliesslich nicht wundern, wenn sie ihm auch mal in Fetzen um die Ohren fliegt.

Aber tun Sie doch bitte nicht so, als hätten es alle anderen auch so gesehen, wie Sie, wenn das schlicht und ergreifend nicht der Fall war. Die Neuerfindung der Boulevardkomödie mag es nicht gewesen sein, was da über die Bühne geberserkt wurde, einverstanden. Aber in guten Augenblicken kam der Abend durchaus in die Nähe von Herbert Fritschs Bühnenwahnsinn. Und über den lachen Leute, ziemlich ausgiebig sogar, ob das nun Ihrem Bild gepflegten Humors entsprechen mag oder nicht. Das Timing der Schauspieler war auch nicht schlecht, wie Sie schreiben – Sie mochten einfach nicht, was da getimed wurde.

Ich habe mich recht gut unterhalten gefühlt, obwohl ich eher ungnädig gelaunt in diesen Abend gegangen bin. Und ich kann mich über schlechtes Theater so richtig aufregen, glauben Sie mir. Als ehemaliger Journalist weiss ich auch, dass es einfacher ist, sich seiner Wut über schlechte Inszenierungen, schlechte Stücke, schlechte Schauspieler, kurz: schlechtes Theater hinzugeben, als zu differenzieren, was einem nicht gefallen hat.

Aber da Sie in einer renommierten, sprich: recht mächtigen Zeitung Ihre Meinung kundtun, sollten Sie vielleicht etwas genauer überlegen, wie viel von Ihrem persönlichen Zorn Sie ungefiltert in einen Artikel einfliessen lassen sollten. Sonst fliegt eines Tages womöglich Ihnen eine Ihrer Rezensionen um die Ohren, weil sie inhaltlich, stilistisch und qualitativ nicht dem entspricht, was vor 42 Jahren mal ein begabter Journalist in einer Zeitung veröffentlichte.

Wenn am Ende einer unfairen Kritik dann noch darüber sinniert wird, ob der Intendant des Theaters wohl den Mut haben wird, die heruntergemachte Inszenierung abzusetzen – mit Verlaub, Herr Schlienger: Ihr Job ist es, zu rezensieren, nicht: zu zensieren. Und schon gar nicht ist es der Job eines Redaktors, sein individuelles Gefühl rezeptioneller Erhabenheit auf Kosten der Wahrheit als Journalismus zu deklarieren.

Frohe Festtage wünscht Ihnen

Christian Hansen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.